So spaßig der Urklassiker "Maniac Mansion" auch ist, man wünscht sich nach einer Weile eben doch etwas mehr Abwechslung und vor allem Spieldauer. Da mich die Leidenschaft für VGA-Adventures zurzeit immer noch fest im Griff hat, habe ich gleich einen weiteren Klassiker gestartet, der glücklicherweise die langen Jahre in meinem Archiv (Kiste im Keller) ohne Schäden überstanden hat.
"Sam & Max - Hit the Road" erschien 1993 - ein Jahr vor Wing Commander III - und war einer der beiden Titel, die Lucasarts die Krone im Adventure-Genre bescheren sollten. Im gleichen Jahr kam nämlich mit "Day of the Tentacle" der Nachfolger zu "Maniac Mansion" heraus, das heute noch als eines der besten Adventures gilt. Ein ähnlicher Erfolg wurde allerdings auch "Sam & Max" zuteil, obwohl Lucasarts in Punkto Bedienung diesmal etwas andere Wege beschritt: der untere Bildbereich mit den Aktionsverben fiel weg, stattdessen erfolgen die verschiedenen Interaktionen mit einem per rechter Maustaste umschaltbaren Cursor. Das hatte den Vorteil, dass die Spielumgebung nun den gesamten Bildschirm ausfüllen konnte. Und tatsächlich ging das angepasste SCUMM-System so gut von der Hand, dass man den früheren Wortsalat schnell nicht mehr vermisste.
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Neben der Floppy-Version erschien zeitgleich auch eine Fassung auf (der damals noch nicht selbstverständlichen) CD-Rom, die mit voller Sprachausgabe daherkam. Ein großer Bonus, denn die Dialoge von Sam & Max genießen heute noch Kultstatus, und mit den richtigen Sprechern umso mehr. Das gilt auch für die sehr gute deutsche Vertonung, in der die beiden Figuren von Hans-Gerd Kilbinger und Sandra Schwittau (Bart Simpson) gesprochen werden.
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Die beiden Hauptfiguren Sam und Max stammen aus der Feder von Cartoon-Zeichner und Lead Designer Steve Purcell, der sie damals für eine neue Serie von Lucasarts-Adventures als Protagonisten zur Verfügung stellte. Wir haben also einen aufrecht gehenden Hund im blauen Anzug samt Hut sowie einen weißen Hasen, die als Privatdetektive unter dem Namen "Freelance Police" seltsame Kriminalfälle lösen.
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Und seltsam ist auch der Fall, den man im Spiel zu lösen hat: Auf einer Kirmes ist ein waschechter Yeti namens Bruno ausgebüchst und offenbar von einem neurotischen Countrysänger gefangengenommen worden. Klingt verrückt und ist es auch. Genauso wie die Welt, deren unterschiedliche Locations man per Übersichtskarte mit dem Auto ansteuert. Hier erlebt man wahrlich eine herrlich absurde, satirisch überspitzte USA mit den skurrilsten Figuren, die man sich vorstellen kann. Schon wieder "skurril" und "absurd" - was in "Maniac Mansion" bereits der Fall war, ist in Sam & Max noch mal eine gehörige Portion überdrehter. Ihr sucht einige wirklich abgedrehte Orte auf, um den Spuren des vermissten Yetis zu folgen, trefft herrlich schräge Gestalten und führt die dazu passenden Dialoge. Sams trocken-ironische Kommentare und Max' sarkastisches Geätze sind teilweise filmreif.

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Als spielbarer Zeichentrickfilm wurde das Spiel übrigens schon bezeichnet, und das zurecht! Lediglich die Stimmen der anderen Figuren fallen in der deutschen Version spürbar schlechter und oft amateurhaft aus, da offenbar das Budget der Lokalisierung zu gering war. Eine annehmbare dt. Sprachausgabe war damals generell eine schimpfliche Ausnahme, sodass man Sam & Max am Ende keinen Vorwurf machen kann. Das Sprecherduo harmoniert perfekt miteinander, und es lohnt sich, immer alle Dialogoptionen auszuschöpfen, die vor schwarzem Humor und Anspielungen auf andere Lucasarts-Produkte nur so triefen. Dialogmöglichkeiten gibt es dabei stets mehrere, ob nun themenbezogen, fragend oder forsch ausgerichtet. So fährt man mit seiner Polizeikarre à la Blues Brothers quer durch die kunterbunte USA und meistert während der anarchischen Schnitzeljagd so manche ungewöhnliche Aufgabe. Für hartgesottene Rätselveteranen ist das Spiel sicher keine allzu große Herausforderung, vorausgesetzt man schafft es schnell, sich auf die kuriose Spielwelt einzulassen. Einige Knobleien lassen sich nämlich mit der vernünftigsten logischsten Vorgehensweise nicht lösen. Oft führen gerade diejenigen Aktionen zum Ziel, die man sich als letzte Option aufgespart, aber noch nicht getraut hat, da zu abgedreht. Das mag für einige Spieler vielleicht der einzige ernsthafte Kritikpunkt sein, denn wem Setting und Geschichte von vornherein zu albern sind, wird mit dem Spiel nicht ganz warm. Jedes Verhalten des Spielers wird von Sam übrigens stets lakonisch kommentiert. Bei mehrmaligen Fehlversuchen steigert sich seine Reaktion schon mal bis zur Verzweiflung. Ähnliches kennt man ja von Diablo oder Warcraft.
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Ich habe Sam & Max über den bekannten Emulator ScummVM gespielt und war überrascht, wie gut sich damit die Grafik für die Darstellung auf heutigen HD-Monitoren verbessern lässt, ohne ihren Retro-Charme einzubüßen. Per Tastenkombination lässt sich die Auflösung durch Interpolation jederzeit auf 640x480 hochrechnen und mit einer Reihe von Filtern glätten. Welchen Filter man nimmt, ist Geschmacksache, doch selbst im Vollbildmodus kann sich das Ergebnis absolut sehen lassen. Der sehr coole Jazz- und Bluessoundtrack untermalt das Geschehen jederzeit angemessen und sorgt für zusätzliche Stimmung, da perfekt emuliert. Wer das Spiel nicht besitzt, kann es auf gog.com für sehr kleines Geld erwerben. Seit der Übernahme durch Disney wird es nämlich wieder verkauft, also kann man hier nicht mehr von abandonware sprechen, unter der es weiterhin auf vielen Seiten einsortiert und kostenlos herunterzuladen ist. Da es ScummVM auch für Android sowie iOS gibt, ist mobiles Spielen problemlos möglich. Selbst die Bedienung geht recht gut, sobald man für die rechte Maustaste eine entsprechende Geste definiert hat.
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Die Nachfolger "Sam & Max Save the World", "Beyond Time and Space" sowie "The Devil's Playhouse" wurde übrigens von 2006-2010 in Episodenform veröffentlicht. Diesmal allerdings in 3D-Grafik. "Hit the Road" hat trotzdem den Klassiker-Charme auf seiner Seite und gehört weiterhin zu den Glanzlichtern der Adventures von Lucasarts. Ein großer Spaß und uneingeschränkt empfehlenswert, wenn man mit dem schrägen Szenario klarkommt!

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"Ich würde immer eine Maschine bevorzugen, die um einen schweren Jäger Kreise fliegen kann, wenn es sein muss.“
Alec "Ninja" Crisologo, Wing Commander Saga